Gründungsgeschichte

Am 19. Januar 1898 erblickte in Norwich / England Erminio Gugliemo Luigi (Louis) Marchesi, Sohn schweizerischer Eltern, das Licht der Welt. Louis Familie war Mitte des 19. Jahrhunderts nach England eingewandert. Nach dem Vorbild des Vaters erlernte Louis den Beruf eines Patissiers, eines Zuckerbäckers also. Noch heute gilt der 19. Januar 1898 in britischen Tablerkreisen als ,,Mark’s Day“.

1925 kaufte Marchesi das Langford’s Restaurant in Norwich. Die morgendlichen Debatten dort über den zu gründenden neuen Club waren ebenso heiß wie der Kaffee, den Dolly, die Frau von Louis, servierte.

Wie in der britischen Chronik nachzulesen ist, sprach Louis im Jahr 1926 als jüngstes Mitglied im Rotary Club Norwich über das Thema Jugend und Geschäftswelt. Er erläuterte dabei die Notwendigkeit, einen weltweiten Club mit Altersgrenze für junge Unternehmen oder / und Berufstätige zu gründen, und er hatte bereits die ausgearbeiteten „rules and regulations“ zur Hand.

Am 22. November 1926 gründete er zusammen mit einigen rotarischen Freunden einen neuen Verein: „Junior section for sons of master bakers in Norwich“ (Verein junger Söhne der Meisterbäcker von Norwich). Dieser Club war beschränkt auf Berufstätige und Geschäftsleute im Alter von 18 bis 40 Jahre, die ihre Berufsqualifikation vorweisen mussten.

Beim zweiten Treffen, am 4. Januar 1927 im „Smoke Room“ von Louis Marchesis Langford’s Restaurant in der Prince of Wales Street No. 22 in Norwich, präsidierte der Rotarier Walter Smith. Es ging um Vorschläge für den Namen dieses neuen Clubs. Ein kluger Kopf dieser Runde wird wie folgt zitiert:
„Sitting round this table, and not being able to find a suitable name meens ridiculous (Um diesen runden Tisch zu sitzen und nicht fähig zu sein, einen geeigneten Namen zu finden, erscheint mir geradezu lächerlich).“

Der Name blieb: Round Table.

Am 21. Februar 1927, als England unter der schwersten wirtschaftlichen Krise des 20.Jarhunderts litt, öffnete die British Industries Fair in London ihre Tore. Der Rede, die der Prinz of Wales, der spätere König Edward VII., aus diesem Anlass bei einem Galadinner der britischen Regierung im Londoner Manison House hielt, sind unsere drei Leitworte „adopt – adapt – improve“ entnommen. Der Prinz of Wales forderte damit junge, im Arbeitsleben stehende Männer auf, sich um einen runden Tisch zu setzen und Dinge, die sich in der Vergangenheit bewährt haben, anzunehmen (adopt), den Gegebenheiten dieser Zeit anzupassen (adapt) und, wann immer es möglich ist, zu verbessern (improve).

An diesem besagten 21. Februar 1927 fand ein weiteres Meeting im ,,Suckling House“ in Norwich statt. Die Teilnehmer dieses Treffens hatten die Rede des Prince of Wales im Rundfunk verfolgt und beschlossen, die bekannten drei Forderungen

— adopt – adapt – improve —

in ihre Sitzungsglocke eingravieren zu lassen. Sie ist ein Geschenk des Rotariers Archie Plumstead. Am 14. März hoben dann 30 Männer den Club „Round Table No. 1 Norwich“ offiziell aus der Taufe – ein Meilenstein unserer Organisation.

1928 „adoptierte“ das General Council von RT Britain das Nachbarland Irland, und am 25. Mai entstand 1928 Round Table Britain and Ireland – kurz RTBI genannt. Marchesi überließ das Präsidentenamt viele Jahre anderen, er selbst war lediglich fünf Jahre lang, bis 1932, Sekretär. Erst 1935 – RTBI hatte bereits 100 Tische – fand Marchesi endlich Zeit, die Präsidentenkette zu tragen! 1936 folgte die Gründung des 41er Clubs – bei uns Old Tablers genannt.

Noch ein paar wichtige Daten aus unserer Geschichte: bei der ersten Jahreskonferenz der „National Association of Round Table“ am 2. bis 4. April 1929 in Norwich hatten sich die 16 Tische bereits in drei Distrikte geteilt.

Das Top-Ereignis des Jahres 1930 war dann vielleicht ein Dorn im Auge mancher Tabler. Einige Frauen waren es leid, nur Kuchen zu backen, hilfreich beizustehen und Babysitter auszutauschen: sie gründeten den ersten Ladies Circle! 1938 erreichte Louis Marchesi die selbstgewählte Altersgrenze 40 und wurde zum Ehrenmitglied auf Lebenszeit ernannt.

1945 etablierte man WOCO, 1948, im Verlauf des AGM von RTBI in Hastings (England), Round Table International, bestehend aus 150 britischen, 24 dänischen, 12 holländischen, sieben schwedischen RT-Clubs und einem norwegischen Tisch. RTI beschloss Mitglied im WOCO zu werden und löste sich im selben Jahr auf, um vor einigen Jahren unter dem Deutsch-Südafrikaner Waldo Thöle vom Tisch ARTSA 94 Dundee / Natal neu etabliert zu werden.

Wie Tabler eben sind – man konnte RTI – trotz WOCO – so schnell nicht vergessen, und unter dem Namen RTI Rallye traf man sich 1961 in Kopenhagen, 1962 in Dijon, 1963 in Göteborg, 1964 in Enschede und 1965 in Liege. Dann war das goldene Zeitalter von RTI endgültig zu Ende, denn die RTI-Nostalgiker erreichten das ,,kritische Alter“.

In den Anfangsjahren von RT gab es übrigens noch nicht das uns allen bekannte RT-Symbol, das viele Länder übernahmen, nämlich das Abzeichen, das die legendäre Tafel der Artusrunde in Winchester Castle aus dem 13. Jahrhundert in abgewandelter Farbgebung zeigt: König Arthur und 24 Felder, in der Mitte die rote Rose der Tudors.

Als mich die Briten 1977 zusammen mit unserem damaligen RTD-Präsidenten Wolfgang Penner zum Diamond Jubilee nach London einluden, traf ich Louis Marchesis Sohn. Damals schenkte man mir ein Reprint der alten RT-Nadel. Sie zeigt einen schlichten runden viktorianischen Tisch samt Tischbein. Das international häufig etwas abgeänderte britische Vorbild für die RT-Clubnadel entstand erst später.

Im Jahr 1936 schaffte die junge Bewegung Round Table dann den Sprung über den Kanal — nach Dänemark. 1943 wurde RT in Schweden gegründet, 1946 in Holland, 1947 in Norwegen, 1948 in Finnland, 1949 in Belgien, 1950 in Frankreich, 1951 in der Schweiz und 1952 schließlich in Deutschland.

Am 10. Dezember 1968 verstarb Louis Marchesi. Die ganze RT-Welt trauerte – am 14. Februar 1969 fand in der Westminster-Abtei ein Gedenkgottesdienst statt. Über 3 000 Tabler waren dazu nach London gekommen.

Diese Bericht wurde erstellt von Hubertus Uschald, OT 69 Amberg

Quellen:
Günther Ricks schriftliche Aufzeichnungen zur Entstehungsgeschichte von RTD
Gespräche mit Günther Rick, Marlen Schubert / Harald Eggert: 60 Jahre RTBI — 50 Jahre Round Table auf dem Kontinent